Wie sind Sie Pröpstin geworden?
Ich komme nicht aus einer Akademiker-Familie, ich war die Erste, die Abitur gemacht hat. Kindergottesdienste und die Jugendarbeit haben mein Interesse an der Kirche geweckt. Nach dem Abitur habe ich aber erstmal eine Bürolehre gemacht und als Sekretärin in einer Tischlerei gearbeitet. Ich würde sagen, dass mir das, was ich damals gelernt habe, bis heute in der täglichen Arbeit hilft. Die Bildungsarbeit der Kirche hat mich motiviert, weiter zu lernen. Ich habe mein Abitur nachgeholt und dann Theologie studiert. 13 Jahre lang war ich Pastorin in Lübeck, außerdem habe ich acht Jahre für Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter gearbeitet - bis ich mich dann 2008 als Pröpstin für den Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg beworben und zur Wahl gestellt habe.
Wann waren Sie zuletzt die einzige Frau in der Runde?
Ich kann mich nicht daran erinnern. Die kirchlichen Gremien sind inzwischen so durchmischt, dass es hier keine reinen Männerrunden mehr gibt. Was mir aber auffällt, sind allerdings die ungleichen Redeanteile: Ich habe schon einige Sitzungen erlebt, in denen sich Frauen nicht zu Wort gemeldet haben.
Gibt es Sprüche, die Sie nicht mehr hören können, weil sie voller Klischees sind?
Mich stört die Anrede “Liebe Brüder” – wenn die Schwestern “mitgemeint” sind sehr. Ich finde es unverschämt, dass es so etwas noch gibt, das möchte ich wirklich nicht mehr hören. Mich ärgert es auch, wenn von “Zickenkrieg” gesprochen wird, wenn sich zwei Frauen im beruflichen Kontext streiten. Bei Männern geht es dann immer um die Sache, bei Frauen wird aber die emotionale Seite so betont.
Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen in der Kirche heutzutage?
So wie sich gesamtgesellschaftlich viel geändert hat, hat sich auch in der Kirche viel getan. Auf der formalen Ebene ist in der evangelischen Kirche eigentlich alles erreicht, Frauen können alle Ämter bekleiden, die es gibt. Es gibt aber häufig noch dieses Denkmuster: “Wir haben ja schon eine Frau in diesem Gremium, da brauchen wir ja nicht noch eine.” So würde man bei Männern auch nicht argumentieren. Und unsere Kirche lebt so sehr davon, dass Frauen in den Gemeinden und auf allen Ebenen mitwirken. Ohne uns Frauen liefe gar nichts.
Was sollte getan werden, damit Frauen in der Kirche noch präsenter sind?
Ein gutes Netzwerk und ständige Weiterbildung hilft sehr. Mir ist das auch nicht in die Wiege gelegt worden, unangenehme Dinge anzusprechen, das muss man einfach üben. Aber theoretisch stehen alle Türen offen: Jede Theologiestudentin, die heute an der Uni anfängt, weiß, sie kann Bischöfin werden.
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Finde deinen eigenen Stil und bleibe authentisch. Wir müssen nicht alles so machen, wie die Männer. Auch wir Frauen sind so unterschiedlich, haben verschiedene Gaben und Talente. Es ist wichtig, den eigenen Weg zu gehen und Freude an dem zu behalten, was man macht.
Wer sind Ihre Vorbilder, Ihre Inspiration?
Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter ist mir nicht nur eine Freundin, sondern auch ein Vorbild geworden. Sie hat einen sehr weiten Blick auf Fragen der Kirche weltweit. Außerdem meine Großmutter Frieda: Sie war ein Mensch, der Frieden stiften konnte und mir immer viel zugetraut hat. Aus dem biblischen Kontext hat mich Maria-Magdalena fasziniert. Sie ist eine starke Frau, eine Apostelin, die ihren Weg ins Leben gefunden hat und es geschafft hat, die christliche Botschaft weiterzutragen. Aus dem Alten Testament ist es das Buch Ruth: Der Name bedeutet “Freundin” oder “Weggefährtin”. Das ist mir wichtig, mit Frauen unterschiedlicher Generationen unterwegs zu sein.
Was sind Ihre Wünsche und Pläne für die Zukunft?
Der Wunsch, der im Moment für alle Menschen vorn steht: Frieden!!! Unser Lebensfundament ist ins Wanken geraten, wir müssen uns fragen, in welcher Welt unsere Kinder und Enkel aufwachsen werden. Mein großer Wunsch ist, dass es friedlicher gehen möge. Für meinen Ruhestand wünsche ich mir außerdem mehr Zeit für die Familie, meine Enkelkinder und meine Freunde. Als Pastorin arbeitet man eben oft, wenn andere frei haben. Außerdem engagiere ich mich schon lange für zwei Bildungsprojekte in Indien und Südafrika: Das sind Herzensanliegen, um die ich mich weiter kümmern möchte.