Eine Frau am Steuer einer Kogge zur Hansezeit? Kaum vorstellbar. Das Lübecker Museum über diese Zeit aber hat eine Chefin: Felicia Sternfeld hat Kunstgeschichte, Geschichte und Politik studiert und für verschiedene Projekte in Karlsruhe gearbeitet, bevor es sie 2014 nach Lübeck verschlagen hat. Vor fünf Jahren ging es für sie vom Theaterfigurenmuseum zum Europäischen Hansemuseum. Ein Gespräch über Vorbilder und Mentorinnen.
Wie sind Sie in die Position gekommen, in der Sie heute sind?
Mir hat sicher geholfen, dass ich schon begleitend zu meiner internationalen Ausbildung viele Praktika und Stationen im In- und Ausland wahrnehmen konnte. Beruflich eingestiegen bin ich dann im Kunsthandel, einer großen fachlichen Leidenschaft von mir, der ich bei einigen Galerien und führenden Auktionshäusern im In- und Ausland folgen durfte. Nach der Leitung einer der größten Kunstmessen im deutschsprachigen Raum hatte ich gemeinsam mit meiner Familie den Wunsch, in den Norden zu ziehen. So kam ich schließlich nach Lübeck, wo ich seit 2015 das Europäische Hansemuseum leite. Ich freue mich sehr darüber, dass fast alle meine Positionen zu mir gefunden haben und nicht umgekehrt.
Wann waren Sie zuletzt die einzige Frau in der Runde?
Das passiert mir nicht ganz so oft, da im Kulturbereich viele Frauen tätig sind. Aber es ist schon vorgekommen. Da ich mit zwei Brüdern aufgewachsen bin und auch zwei Söhne habe, ist es mir sehr vertraut, mich in rein männlicher Umgebung zu befinden, so dass mich das grundsätzlich auch nicht weiter stört. Nichtsdestotrotz freue ich mich natürlich – und halte es sogar für dringend notwendig – wenn das Verhältnis in welchen Runden auch immer ausgewogen ist.
Welche Herausforderungen sehen Sie heute immer noch für Frauen auf dem Weg nach oben?
Da sehe ich drei Themen: Nach wie vor zu wenige Role-Models, gute Kinderbetreuung und gerechte Aufteilung der Sorge-Arbeit.
Ich finde Vorbilder wichtig. Dass man nämlich Frauen sieht, an denen man sich als Frau orientieren kann und bei denen man erlebt, wie es funktioniert, Karriere zu machen. Solche Role-Models können helfen, das Selbstvertrauen zu stärken, sich selbst zuzutrauen, auch den Weg nach oben zu gehen.
Ich bin der Ansicht, dass die Betreuungsangebote für Kinder in Deutschland nicht ausreichend sind. Mein Mann und ich hätten unsere Tätigkeiten, als ich vor rund 10 Jahren von Teilzeit in Vollzeit gewechselt bin, nicht beide ausüben können, wenn wir damals nicht ein Au-Pair Mädchen engagiert hätten.
Das dritte Thema ist die Sorgearbeit: Hier braucht es einen echten Paradigmenwechsel und der betrifft unsere ganze Gesellschaft. Noch immer sind es in der Familie meist die Frauen, die den Großteil der Sorge um das Funktionieren des Haushalts und das Wohlergehen der Kinder tragen. Dies ist ein wichtiger Faktor dafür, dass Frauen sich im Zweifel gegen eine Karriere entscheiden.
Gibt es Sprüche, die Sie nicht mehr hören können, weil sie voller Klischees sind?
»Eine Quote brauchen wir nicht, die qualifizierten Frauen werden sich schon durchsetzen.« Ich habe auch lange daran gezweifelt, dass eine Quote notwendig ist, bin aber inzwischen der Meinung, dass es ohne sie nicht geht. Denn es schaffen gerade eben nicht immer die besten Frauen automatisch den Weg »nach oben«. Oben sitzt ja oft (noch) ein Mann, und dieser wird vor allem solche Personen fördern, die ihm ähnlich sind. Und das sind sicherlich eher Männer als Frauen. Eine Quote zwingt ihn jedoch, seinen Blick zu öffnen.
Was sollte getan werden, damit Frauen in der Kultur präsenter sind?
Grundsätzlich sind Frauen in der Kultur schon sehr präsent, das ist erfreulich. Nur leider sehe ich immer noch zu wenige Frauen in Leitungspositionen. Schätzungsweise über 90% der Studierenden im Fach Kunstgeschichte sind Frauen. Schauen wir uns aber an, wie die Verteilung der Direktionsposten ist, dann ist hier noch ein großer Nachholbedarf.
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Traut Euch was! Steht dazu, dass es überhaupt nicht verwerflich ist, Karriere machen zu wollen und dies auch kund zu tun. Und wenn sich eine Chance ergibt, dann nutze sie auch! Mentoring kann eine gute Möglichkeit sein, sich genau darüber auszutauschen. Deswegen bin ich selbst als Mentorin beim Mentoring-Programm des Deutschen Kulturrates des BKM tätig geworden. Hier kann ich Frauen unterstützen, dass sie ihren Weg in Führungspositionen auch finden.
Welche Frau war Ihr Vorbild, Ihre Inspiration?
Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn diverse Mal starke Frauen erlebt, die ich schon als Role-Model für mich bezeichnen würde. Als ich in Berlin bei Christie’s gearbeitet habe, hat meine Chefin mit Familie sehr viel gearbeitet und immer sehr gut alles unter einen Hut bekommen. Das fand ich schon damals toll.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich bin wahnsinnig gerne an der Stelle, an der ich gerade bin. Denn es macht unglaublich viel Spaß, gestalten zu können und so intensiv mit verschiedenen Menschen arbeiten zu dürfen. Und seitdem ich das Museum leite, liegt mir das Thema Chancengleichheit deutlich mehr als früher am Herzen und ich beschäftige mich explizit damit. Daher würde ich mich sehr freuen, wenn ich zumindest ein klitzekleines bisschen auch selbst daran mitarbeiten kann, dass es damit voran geht.