Hendrikje Rath aus Zarpen ist Landwirtin mit Leib und Seele - auch wenn sie sich auf dem Weg dorthin immer wieder fragen lassen musste, warum denn nicht ihre Brüder den Hof der Familie weiterführen. Dort hat inzwischen nämlich die 28-Jährige den Hut auf: Im Interview erzählt sie, warum Instagram jungen Frauen Lust auf Landwirtschaft machen kann und welche Pläne sie für die Zukunft ihres Hofes hat.
Wie sind Sie Betreiberin eines landwirtschaftlichen Betriebs geworden?
Ich bin hier aufgewachsen und bin schon als Kind bei meinem Großvater und Vater mit im Stall gewesen. Ich liebe und verstehe Kühe schon seit ich klein bin. Und das hat sich auch nie geändert. Als ich zehn Jahre alt war, hat meine Oma ihre Hühner abgeschafft, da war ich sehr traurig. Zum zwölften Geburtstag hab ich dann meine eigenen Hühner bekommen und mir damit mein Taschengeld verdient. Auch das Gärtnern war und ist immer noch mein Hobby. Als Teenager habe ich noch ein paar Praktika im Gemüsebau, Hotelfach, in der Hauswirtschaft und bei einer Tierärztin gemacht, aber das war alles nicht das Gelbe vom Ei. In mir steckte schon immer eine Landwirtin. Ich liebe es uns alle mit Lebensmitteln zu versorgen. Meine Eltern standen immer hinter mir und so habe die Ausbildung gemacht, die Landwirtschaftsschule und die Höhere Landbauschule besucht. Keiner meiner drei Brüder hatte jemals Interesse an unserem Hof, sonst hätten wir ihn teilen müssen ;)
Wann waren Sie zuletzt die einzige Frau in der Runde?
Eigentlich bin ich fast täglich die einzige Frau in der Runde. Wir haben zwar mittlerweile drei weitere Frauen (inklusive meiner Mutter) auf dem Hof, die Mädels sind aber alle nur als Minijobber hier. Den Großteil des Tages arbeite ich mit Männern zusammen.
Gibt es Sprüche, die Sie nicht mehr hören können, weil sie voller Klischees sind?
“Warum übernehmen Sie denn den Hof und nicht einer ihrer Brüder?” Es ist immer noch sehr tief in vielen Menschen verankert, dass ein Mann einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen hat und nicht eine Frau. Manchmal ist es anstrengend, aber die Leute sind nunmal neugierig, weil es so selten ist. Den meisten ist gar nicht bewusst, dass schon seit Jahrhunderten meist hinter einem Bauern auch immer eine Bäuerin steht, ohne die der Betrieb nicht laufen würde.
Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen in der Landwirtschaft - und was hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verbessert?
Es gibt eigentlich nichts, was ein Mann schafft, was nicht auch eine Frau schaffen kann in der Landwirtschaft. Klar stößt man oft kräftemäßig an seine Grenzen, aber es gibt viele Tricks, die man sich mit der Zeit aneignet, damit man auch zum Beispiel die verrostete Zapfwelle an dem Trecker gebaut bekommt. Mittlerweile gibt es viel mehr hochmoderne Technik in den Ställen und auf dem Feld die Männern wie auch Frauen die Arbeit erleichtert. Das war die körperliche Herausforderung, aber dann gibt es da noch die psychische. In der Ausbildung waren wir immer nur ein bis drei Mädels in der Klasse, wenn man dann noch Hackenschuhe und lackierte Fingernägel getragen hat anstatt Karohemd und Fendtjacke, wurde gelästert was das Zeug hält: “Die Püppi will Landwirtin werden, haha, das hält die doch nicht lange durch.” Wenn man dann mit der Klasse auf Lehrgängen oder Ähnlichem war oder in der praktischen Ausbildung (in der ich Gummistiefel trug), musste man sich als Frau immer extra beweisen, um den Männern zu zeigen, dass man es genauso gut, wenn nicht sogar besser kann. Das dauert lange, bis die das begreifen und dann auch zugeben. Aber das hat mich immer nur noch mehr motiviert.
Was sollte getan werden, damit Frauen in der Landwirtschaft noch präsenter werden?
Das passiert jetzt gerade schon in den sozialen Medien. Viele Frauen kümmern sich um die Öffentlichkeitsarbeit in unserem Beruf, zum Beispiel bei Instagram, und zeigen die Landwirtschaft mit all ihren Facetten, das regt bei vielen jungen Frauen das Interesse an. Je mehr Frauen unseren Beruf öffentlich machen und zeigen, wie schön er ist, umso mehr werden wir. Es ist ein Prozess, der in den Köpfen stattfindet. Generell wurde mir in meiner Laufbahn als Landwirtin nie der Weg versperrt, weil ich eine Frau bin.
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Traut euch was und lasst euch nicht unterkriegen, ich habe es auch geschafft. Landwirtin sein ist für mich der schönste und wichtigste Beruf der Welt.
Welche Frau ist Ihr Vorbild, Ihre Inspiration?
Da gibt es viele, meine Großmutter zum Beispiel, die immer sehr stolz darauf ist, wenn sie etwas aus dem eigenen Garten kocht oder generell die gesamte Mahlzeit vom Hof kommt. Oder Güde und Ulrike vom Gut Wulksfelde haben mich in der Ausbildung auf dem Biogut sehr inspiriert. Oder meine Tante, die mit mir als Kind oft auf Hoffesten war. Oder meine Nachbarin Monika, die Ziegenbäuerin war und sich einen Namen gemacht hat.
Was sind Ihre Pläne und Wünsche für die Zukunft?
Oh, mein Kopf ist voller Ideen und Pläne. Zum Glück kann man sich in meinem Beruf in einem gewissen Rahmen selbst verwirklichen. Ich möchte unseren Hofladen weiter optimieren, zum Beispiel mit dem Verkauf von hofeigenem Rindfleisch und Milch von unseren Kühen, den Hof weiter aufräumen, vielen Kindern und Erwachsenen die Landwirtschaft näherbringen und Erlebnisse schaffen, wir sind gerade dabei, etwas ganz Tolles hier zu schaffen für Mensch und Tier. Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass die Menschen hier weiterhin gerne einkaufen, mir für die harte Arbeit Wertschätzung entgegengebracht wird, meine Tiere glücklich sind und ich und meine Familie davon leben können. So, und jetzt muss ich los, die Kühe von der Weide zum Melken holen.