Eine Wienerin in Lübeck und eine Kämpferin für Kulturschaffende: Maria Paz Caraccioli Gutierrez ist 42 Jahre alt, hat die ersten fünf Jahre ihres Lebens in Chile gelebt und ist dann in Wien aufgewachsen. Nach der Schule studierte sie Musik, Kulturmanagement und Kommunikation, machte sich selbstständig und arbeitete in Wien zunächst für eine Plattenfirma, bevor sie zu einer Jazz-Agentur nach Bayern wechselte. 2018 hat sie dann ein Job bei der Kulturwerft Gollan nach Lübeck verschlagen. Dann kam Corona - und plötzlich sah es für alle Kulturschaffenden ganz düster aus. Mit der Initiative “Ohne Kunst und Kultur wird’s still” will sie die Branche wieder ins Rampenlicht bringen.
Wie sind Sie in die Position gekommen, in der Sie jetzt sind?
Meine Eltern haben in Wien einen Jazzclub betrieben. Ich bin also mit Musik und Kunst großgeworden. Kunst ist mein Lebenselixier. Jetzt in der Coronakrise wollte ich nicht weiter dabei zusehen, dass die Wertschätzung für Kultur einfach nicht da ist. Es heißt immer, die Kultur wäre wieder geöffnet, aber das stimmt nicht und wird sich auch bis nächstes Jahr nicht ändern. In die meisten Spielstätten dürfen, wenn sie denn geöffnet sind, nur die Hälfte der Zuschauer kommen.
Wann waren Sie zuletzt die einzige Frau in der Runde?
Das war oft der Fall, als ich noch im Agenturwesen gearbeitet habe. Ich hatte immer das Gefühl: Die Männer sitzen in den Spitzenpositionen, arbeiten tun die Frauen.
Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen in der Kulturbranche?
Es ist manchmal immer noch ein Kampf. Gerade Musikerinnen haben viel weniger Präsenz als ihre männlichen Kollegen. Es ist für sie schwierig, Fuß zu fassen. Das liegt aber auch an der Bezahlung: Die ist in der Kultur allgemein nicht gut und für Frauen nochmal schlechter.
Welche Sprüche können Sie nicht mehr hören, weil sie voller Klischees sind?
Es sind weniger konkrete Sprüche, als ein bestimmtes Verhalten. Oft werden Frauen in solchen Männerrunden einfach ausgebootet. Und wir werden immer noch oft auf Äußerlichkeiten reduziert.
Was sollte getan werden, um Frauen in der Kultur präsenter zu machen?
Das größte Problem ist - unabhängig vom Geschlecht - die Bezahlung. Oft können wir Kulturschaffenden von unseren Gehältern nicht leben. Sorgearbeit braucht eine monetäre Wertschätzung. Ansonsten können Veranstalter darauf achten, welche Künstler oder Bands sie einladen. Je mehr vorrangig weibliche Bands spielen dürfen, desto präsenter werden Musikerinnen.
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Seid mutig, selbstbewusst und lasst euch nicht unterkriegen. Man bekommt in der Kultur so viel Seelenfrieden zurück, wenn man sieht, dass das Publikum von der Kunst oder der Musik berührt ist - dafür lohnt es sich, immer wieder aufzustehen.
Welche Frau ist Ihr Vorbild, Ihre Inspiration?
Meine Mutter. Sie ist mit 27 Jahren allein ausgewandert, ohne die Sprache zu können. Sie hat in der Gastronomie gearbeitet und hatte unterschiedliche Betriebe und eben auch den Jazzclub und sich so aus eigener Kraft ein Leben in einem anderen Land aufgebaut.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass alles wieder gut wird. Unsere Initiative hat gezeigt, dass man aus seiner eigenen, kleinen Bubble heraus viel bewirken kann. Wir sind nicht nur kleine Rädchen im System. Jetzt heißt es: Impfen lassen und die Kultur wieder sichtbarer machen. Neben der Arbeit für “Ohne Kunst und Kultur wird’s still” suche ich tatsächlich einen Job.