Lübeck ist ihre Heimatstadt - und von hier aus hat Gudrun Köhler schon die halbe Welt bereist, um immer wieder zurückzukommen und ihre Anker auszuwerfen. Seit 2019 ist sie Präsidentin des “Soroptimist International Club Lübeck - Bad Schwartau”, der mit leuchtenden Schuhen vor dem Holstentor auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht hat. Hauptberuflich macht sie Öffentlichkeitsarbeit für die kommunale Initiative “Lernen vor Ort”
Wie sind Sie in die Position gekommen, in der Sie heute sind?
Mich sprach vor 24 Jahren eine sehr engagierte Netzwerkerin an, ob ich nicht Lust hätte, mich in einem Club von berufstätigen Frauen einzubringen und diesen Kreis altersmäßig zu verjüngen. Ich habe das sehr gern gemacht, denn ich fand es schon immer spannend mit verschiedenen Professionen zusammenzukommen. In unserem SI Club „Lübeck / Bad Schwartau“ übernimmt alle zwei Jahre eine andere Clubschwester die Position der Präsidentin und dann war mir in 2019 klar, dass ich jetzt dran bin und meine Ideen für 2 Jahre einbringen möchte.
Wann waren Sie zuletzt die einzige Frau in der Runde?
Ich bin beruflich als PR-Managerin einer Reederei nur selten in reinen Herrenteams, manchmal jedoch auf den Fährschiffen mit den Offizieren. Generell habe ich in meinem Umfeld jedoch gut gemischte Teams. Allerdings muss ich sagen, dass ich unsere Clubarbeit ausschließlich mit Frauen sehr schätze und sehr angenehm finde.
Welche Herausforderungen sehen Sie heute immer noch für Frauen auf dem Weg nach oben?
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es immer noch Männer gibt, die im Zweifelsfall lieber Männer einstellen, um die eigene Kommunikation und Zusammenarbeit zu vereinfachen. Hier haben Frauen dann nahezu unüberwindbare Hindernisse zu meistern. Die (jungen) Frauen, die sich hier erfolgreich behaupten, haben meine ganze Anerkennung. Ansonsten müssen sich die Frauen in jedem Alter und jeder Position einfach mehr zutrauen und sich vielmehr gegenseitig aufeinander verlassen können.
Gibt es Sprüche, die Sie nicht mehr hören können, weil sie voller Klischees sind?
Da mein berufliches Umfeld relativ jung ist, kann ich nicht sagen, dass ich nervige Klischees höre. Wie schön, dass mir dies durch Ihre Frage erst bewusst wurde.
Was sollte getan werden, damit Frauen noch erfolgreicher im Beruf sind?
Frauen müssen sich gegenseitig voll unterstützen und voran bringen! Und weil das insbesondere für junge Frauen am Anfang der Karriereleiter sehr wichtig ist, gibt es bei Soroptimist International das SI-Mentoring-Programm. Hier werden seit 2002 eine erfahrene Führungsfrau als Mentorin und eine Mentee gematched, um in Tandemarbeit die Entwicklung und Erreichung der beruflichen Ziele zu begleiten. Diese einjährige, intensive Begleitung gibt oft die Sicht frei auf alternative Gestaltungsmöglichkeiten von Karriere und Lebensweg.
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Denkt das Berufsleben von hinten! Wo wollt ihr mal beruflich stehen? Welcher Weg könnte dahin führen? Lasst euch nicht zu sehr von euren Emotionen leiten. Ihr könnt alle eure Wünsche erfüllen! Bleibt mutig dran!
Welche Frau war Ihr Vorbild, Ihre Inspiration?
Es gab in meinen Lebensphasen verschiedene, meist ältere Frauen, die mir zeitweise ein Vorbild waren oder die mich inspirierenden konnten. Sehr gerne schaue ich BioPics von spannenden Frauen, weil die Lebensgeschichte von Frauen aus der Vergangenheit so viel Mut geben kann. Zuletzt beeindruckte mich die Lebensgeschichte von Aino Aalto, der ersten Frau des finnischen Architekten, die in den 1920er und 30er Jahren sehr selbstverständlich Design entwickelte, dessen Form heute noch wunderschön ist.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich bin noch ein Jahr Präsidentin unseres Clubs und möchte unter anderem unser Engagement der Orange Days über die jetzt vergangenen 16 Tage hinaus weiterentwickeln. In Sachen Häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen gibt es auch für Lübeck sehr viel zu tun. Gerade jetzt machen wir aufmerksam auf die 588 amtlichen Fälle von Partnerschaftsgewalt an Frauen und wollen dieser Zahl und den dahinter stehenden Frauenleben Aufmerksamkeit schenken. Dazu wollen wir uns nach unseren Möglichkeiten einbringen, damit betroffene Frauen den Mut finden, ein Leben in Gewalt verlassen zu können, angehört zu werden und neu beginnen zu können.