Noch ist Antje-Britt Mählmann Leiterin der Kunsthalle St. Annen. Nach dreieinhalb Jahren wird sie Lübeck zum Frühjahr verlassen. Ab April wird die Kunsthistorikerin als neue künstlerische Direktorin für die programmatische Ausrichtung des Museums Schloss Moyland in Bedburg-Hau (Kreis Kleve) verantwortlich zeichnen. Im Interview spricht sie über Führungskultur und Machtstrukturen in der Kulturbranche und darüber, warum ihre Mutter ihr größtes Vorbild ist.
Wie sind Sie in die Position gekommen, in der Sie heute sind?
Ich habe sehr hart gearbeitet und brauchte einige Geduld und Widerstandskraft, um meinen Weg bis hierher zu verfolgen. Ganz wichtig sind auch die Leidenschaft für den Beruf und Kreativität, gerade im Kunstbereich. Ich denke, dass es gerade als Frau auch wichtig und interessant ist etwas Risikobereitschaft zu haben. Ohne diese hätte zum Beispiel die aus einfachen Verhältnissen stammende Coco Chanel niemals ihr Modehaus zur weltweiten Marke ausgebaut.
Wann waren Sie zuletzt die einzige Frau in der Runde?
Das passiert leider viel öfter, als ich es eigentlich zugeben möchte. Allerdings gibt es im Bereich Kultur doch einige sehr erfolgreiche Frauen, die solche Runden eigentlich unmöglich machen sollten.
Gibt es Sprüche, die Sie nicht mehr hören können, weil sie voller Klischees sind?
Mir sagte mal jemand in einem Führungsseminar, dass eine Frau es aufgrund des mangelnden Testosterons körperlich eben als Führungskraft leider schwerer habe als ein Mann. Ich finde solche Ideen von Führung und Körpersprache, die Männlichkeit und Führung synonym betrachten, gehören schon längst generalüberholt. Selbst wenn man das Geschlecht bzw. Gender als gelebte Identität in die Betrachtung einbezieht, müsste man die Frage nach “männlicher” und “weiblicher” Führung sehr differenziert und vorsichtig betrachten, statt Klischees speziell der Körperlichkeit an Andere weiterzugeben. Angela Merkel hat der Mangel an Testosteron ja anscheinend nicht geschadet in ihrer analytischen, praktischen Sicht auf die Dinge. Also Stopp! Solche Klischees brauchen wir uns heute nicht mehr anzuhören.
Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen heutzutage noch in der Kultur?
Es gibt leider immer noch verfestigte patriarchale Strukturen, auch im Kulturbetrieb, die bewusst oder unterbewusst weitergeführt werden. Leider gibt es auch noch immer einige männliche, selbst ernannte Alphatiere, die Frauen das Leben schwer machen, indem sie alles versuchen, um ein gleichberechtigtes Agieren auszuhebeln. Hier rate ich jeder Frau zu einem langen Atem und dazu gezielte Strategien zu entwickeln, um die eigene Position zu stärken. Die Bewegung #metoo zum Beispiel hat gezeigt, dass ungleiche Machtstrukturen speziell im Kulturbetrieb leider viel zu lange errichtet, toleriert oder sogar gedeckt worden sind. Ich bin froh, dass wir mit dem langsam stattfindenden gesellschaftlichen Wandel auch neue Kommunikationsmöglichkeiten haben, um jeder Art von Machtmissbrauch aktiv entgegenzuwirken.
Was sollte getan werden, damit Frauen in der Kultur noch präsenter werden?
Frauen, die gut sind, sollten die Möglichkeit haben Führungspositionen anzunehmen und dies auch als reizvolle Option empfinden. Hierzu wäre sicher wichtig, dass für das Gros der Frauen noch bessere Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen werden. Auch einen “Social Backlash” für erfolgreiche Frauen darf es irgendwann nicht mehr geben.
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Es ist egal, was andere sagen und denken. Vertrau deinem eigenen Gefühl und Talent und hab den Mut Deine Position zu vertreten. Schwierigkeiten sind oft ein Zeichen für notwendige Veränderung.
Welche Frau ist Ihr Vorbild, Ihre Inspiration?
Meine Mutter ist von Beruf Ärztin. Sie hatte bis zu ihrer Pensionierung eine Praxis für Allgemeinmedizin in Friesland, ganz in der Nähe der damaligen Olympia-Werke. In diesem Betrieb waren viele Menschen aus Griechenland beschäftigt, als “Gastarbeiter”, aber viele sind auch geblieben. Für diese Patientinnen und Patienten hat meine Mutter extra Griechisch gelernt. Ich wünsche mir als Museumsmensch ebenfalls meine “Community” so aktiv einzubeziehen. Das ist in der Praxis manchmal gar nicht so leicht umzusetzen, aber meine Mutter hat mir gezeigt, dass die eigene Initiative, also der Schritt in Richtung des Gegenübers für die Kommunikation unendlich wichtig ist. Die ehemaligen Patientinnen und Patienten meiner Mutter freuen sich noch heute über diese Geste und die damit signalisierte Offenheit für ihre Kultur. Doch auch viele andere Frauen haben mich mit ihrer Arbeit begeistert und inspiriert: Kuratorinnen, Galeristinnen, Fotografinnen, Unternehmerinnen, Professorinnen an Universitäten und auch Kunstsammlerinnen haben Großartiges geleistet und dabei (Kunst)geschichte geschrieben.
Was sind Ihre Pläne und Wünsche für die Zukunft?
Bei mir steht in nächster Zeit ein beruflicher Wechsel an. Ich werde ab April 2022 als künstlerische Direktorin des Museums Schloss Moyland in Nordrhein-Westfalen arbeiten. Ich wünsche mir natürlich, dass ich diese neue Aufgabe sehr gut und mit Freude meistern werde. Aber noch mehr wünsche ich mir, dass wir als Gesellschaft einerseits Lösungen für die globalen politischen, ökologischen und gesundheitlichen Krisen finden und andererseits die Tendenzen zur gesellschaftlichen Spaltung überwinden. Ich denke Museen und andere Kultureinrichtungen können ein wichtiger Teil der Veränderungs- und Kommunikationsprozesse sein, die zum Beispiel Europa gerade bewegen. Also ist mein größter Wunsch auch dieser Verantwortung gerecht zu werden, die meines Erachtens mitnichten nur bei Politikerinnen und Politikern, sondern bei uns allen liegt.