Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach ist eine deutsche Humangenetikerin und seit 2018 Präsidentin der Universität zu Lübeck.
Wie sind Sie in die Position gekommen, in der Sie heute sind?
Nach meinem Abitur war mir schnell klar, dass ich gerne Medizin studieren wollte. Schon im Studium habe ich mich, insbesondere aufgrund meiner Dissertation in der pädiatrischen Endokrinologie, für die Kinderheilkunde entschieden. Während meiner Weiterbildung wurde mein Interesse für die seltenen Erkrankungen geweckt, weshalb ich dann in den Bereich Humangenetik gewechselt bin. Nach der Habilitation habe ich einige Jahre die Sektion „Klinische Genetik“ am Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Essen geleitet, anschließend folgte ich dem Ruf der Universität zu Lübeck und leitete hier bis Ende 2017 das Institut für Humangenetik. Mein Interesse an der Hochschulpolitik wurde durch meine langjährige Mitarbeit in Gremien der akademischen Selbstverwaltung und der Tätigkeit als Vizepräsidentin Forschung immer stärker. 2018 wurde dann das Amt der Präsidentin neu gewählt. Die Möglichkeit, die Zukunft der Universität mitzugestalten, mit Studierenden, Forschenden, Mitarbeitenden, der Politik und Wirtschaft sowie anderen Akteuren in einen Dialog zu treten und sich für die weitere Entwicklung der Stiftungsuniversität einzusetzen, hat mich außerordentlich gereizt. Also habe ich die Entscheidung gefasst, mich zu bewerben. Jetzt bin ich gut 2,5 Jahre im Amt und freue mich auf die noch kommenden 3,5 Jahre – der Job ist nach wie vor unglaublich spannend.
Wann waren Sie zuletzt die einzige Frau in der Runde?
Seit jeher bin ich es gewohnt, in Männerrunden meine Frau zu stehen. Dennoch ist es sehr erfreulich und wichtig, dass die Runden weiblicher und diverser werden. In unserem Präsidium gibt es neben mir eine Kanzlerin. Auch an anderen Hochschulen nehmen Frauen zunehmend leitende Positionen ein. Frau Dr. Muriel Helbig ist seit 2014 Präsidentin der Technischen Hochschule in Lübeck, kürzlich wurde Frau Prof. Simone Fulda zur neuen Präsidentin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gewählt.
Welche Herausforderungen sehen Sie heute immer noch für Frauen auf dem Weg nach oben?
Aufgrund des Spannungsfeldes zwischen Beruf, Karriere und Familie ist es nicht immer einfach, die eigenen Ziele im Auge zu behalten. Im Vergleich zu den Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu meiner Zeit, hat sich vieles durch die öffentlichen Angebote wie Kita und Schulbetreuung verbessert. Toll finde ich auch, dass sich die Väter heute mehr engagieren und die Möglichkeit der Elternzeit nutzen, um Zeit mit der Familie zu haben und die Care-Arbeit besser zu verteilen.
Was sollte getan werde, damit Frauen in der Wissenschaft und im akademischen Umfeld präsenter sind?
Obwohl ich einer Frauenquote eher kritisch gegenüberstehe, habe ich die Überzeugung gewonnen, dass Quoten Ihre Berechtigung haben, um die Anzahl der Frauen in Führungspositionen zu verbessern. Wichtig erscheint es mir, die bürokratisch-hierarchischen Strukturen zu entflechten. Insbesondere was die Arbeitszeit angeht, sind hier flexiblere, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle zu entwickeln. Wichtig erscheinen mir auch die vielerorts schon vorhandenen Mentoring-Programme, die überaus nützlich für die Karriereplanung sind.
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Verliert nie eure Ziele aus den Augen und kämpft für sie, auch wenn es Rückschläge geben sollte. Wer eine höhere Position anstrebt, sollte wissen, dass man gute Führung lernen kann - Coaching und Führungsseminare können den Blick nochmal fokussieren. Sehr hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch Netzwerke, auf die man bauen kann und wo man Unterstützung erfährt. Für mich ist auch wichtig hin und wieder rauszufahren und sich frischen Wind um die Nase wehen zu lassen. Bei einem Spaziergang am Meer kann ich wunderbar den Akku aufladen.
Welche Frau war ihr Vorbild, ihre Inspiration?
Ehrlich gesagt, hatte ich kein weibliches Vorbild. Aber es gab im Laufe des Lebens immer wieder Persönlichkeiten, die mich geprägt haben.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Vor mir liegen noch gut drei Jahre als Präsidentin der Universität zu Lübeck und ich bin sehr motiviert und freue auf die Zeit. Zu Beginn meiner Amtszeit hatte ich drei Säulen angesprochen, die für meine Arbeit wichtig sind: Konsolidierung, Kooperation und Kommunikation – dieser Dreiklang hat sich bewährt, daher werde ich ihn weiterhin verfolg